Einen Mensch aus fernen, meist überseeischen, tropischen Ländern bezeichnet man gemeinhin und in Einklang mit einschlägigen Wörterbüchern als Exot. Doch der junge Mann in Jean-Charles Dessertaines jetzt ins Deutsche übersetztem Roman „Der Exot“ ist in einem der Pariser Vorstädte groß geworden. Und hier fühlt er sich fremd, träumt er von fernen Ländern, schafft sich der Fabrikarbeiter mit einem Fernlehrnkurs Fluchtmöglichkeiten aus dem eintönigen Leben am Fließband. Er findet heraus, „dass man doch aus seiner Haut heraus kann, zu einer anderen Person werden kann“, zum Exoten.
Doch Dessertaine zeichnet nicht nur die Suche seines Protagonisten nach einem Paradies, das er nie finden wird. Diese Suche nach einem Ort, der uninteressant wäre, würde er existieren. Und ihn nach Süd- und Nordamerika führt, wieder nach Europa zurückkehren lässt. Denn auf einer zweiten zeitlichen Ebene realisiert dieser Exot in seinen späten Jahren und parallel zum Geschehen in Einblendungen, dass der Versuch einer Selbstfindung gescheitert ist. So wie er an allen Orten ein Fremder blieb, so ist auch er sich fremd geblieben.
Was dieses Scheitern und Suchen zu einer fesselnden Lektüre macht, das ist nicht zuletzt die Sprache. Jean-Charles Dessertaine, der selber lange Zeit im Ausland lebte, lässt diesen Exoten nämlich ohne alle Larmoyanz und eher lapidar erzählen, unaufgeregt über Länder, Menschen, Kulturen und politische Verhältnisse reflektieren. Umso eindringlicher ist das Gefühl, dass sich einstellt. Denn es gelingt dem Autor, seine Figur in all ihren Facetten greifbar und in seinen Reaktionen durchaus auch dann nachvollziehbar zu machen, wenn man glaubt, sein Paradies gefunden zu haben. Nach dieser Lektüre wird man vielleicht etwas anders darüber denken.